📘 Shitbürgertum

📖 Was dich erwartet

„Shitbürgertum“ von Ulf Poschardt ist ein kulturkritisches Werk, das sich mit einer gesellschaftlichen Schicht auseinandersetzt, die oft übersehen, belächelt oder unterschätzt wird: dem Bürgertum in seiner heutigen, mitunter hilflosen Erscheinungsform. Poschardt analysiert in präziser, oft provokativer Sprache die Selbstverleugnung einer gesellschaftlichen Mitte, die sich zwischen alten Werten, moralischer Anpassung und kultureller Belanglosigkeit verliert.

Das Buch ist keine soziologische Studie im klassischen Sinne, sondern eine persönliche, stilistisch scharf gezeichnete Abrechnung mit einem Lebensgefühl, das sich durch Ironie, Konformität und eine gewisse intellektuelle Bequemlichkeit auszeichnet. Es geht um Menschen, die sich dem “guten Ton” anpassen, sich moralisch überlegen fühlen, aber wenig Risiko eingehen – weder gedanklich noch gesellschaftlich.

Poschardt beleuchtet Themen wie:

  • den Verlust echter Individualität im Zeitalter des Wohlfühlmoralismus,

  • die kulturelle Austrocknung der Mittelschicht,

  • das Spannungsfeld zwischen Liberalismus und Gesinnungsethik,

  • sowie die Rolle von Medien, Sprache und Cancel Culture in der bürgerlichen Selbstwahrnehmung.

Was das Buch besonders macht, ist die Mischung aus intellektuellem Tiefgang, journalistischer Schärfe und essayistischem Stil. Es lädt weniger zum Mitfühlen ein als zum Widerspruch, zur Reflexion, zur Auseinandersetzung – und genau das ist wohl sein größter Wert.

💬 Meine Einschätzung

„Shitbürgertum“ ist kein bequemes Buch – und genau das macht es wertvoll. Ulf Poschardt fordert seine Leser nicht nur inhaltlich, sondern auch stilistisch heraus. Er schreibt pointiert, teils sarkastisch, mit einer Mischung aus intellektuellem Elitismus und persönlicher Frustration über eine Gesellschaft, die sich in Selbstzufriedenheit eingerichtet hat.

Was mir besonders aufgefallen ist: Das Buch liest sich stellenweise wie ein innerer Monolog – kein glattgebügelter Gesellschaftsroman, sondern eine Streitschrift, die provozieren will. Dabei trifft Poschardt einen Nerv: Viele der beschriebenen Phänomene – die Oberflächlichkeit bürgerlicher Diskurse, der stille Konformismus, das Ausweichen vor echter Kontroverse – begegnet man täglich, besonders in akademischen oder medialen Milieus.

Allerdings ist „Shitbürgertum“ nicht frei von Widersprüchen. Der Autor kritisiert eine Klasse, der er selbst angehört – und das mit einer gewissen Arroganz, die man ihm sowohl vorwerfen als auch hoch anrechnen kann. Wer bereit ist, sich auf diesen Widerspruch einzulassen, wird mit einer Vielzahl an Denkanstößen belohnt.

Für Leser*innen, die einfache Antworten suchen, ist dieses Buch vermutlich nichts. Wer jedoch Lust hat, sich mit unbequemen Wahrheiten über unsere gesellschaftliche Selbstinszenierung auseinanderzusetzen, findet hier einen klugen, streitbaren und stellenweise brillanten Begleiter.

👉 Lies auch unsere weitere Rezension hier!